Aus der Zeit vom Umbau der Lederfabrik


Jeder aus Mühlbach kannte die Lederfabrik, egal unter welchem Namen sie betrieben wurde(mehrere Namen im Laufe Ihrer Geschichte). Die folgenden Zeilen werde ich aus meiner Erinnerung niederschreiben.

Es war Anfang der 60-er Jahre als das Gerücht Umzug hielt dass die Lederfabrik umgebaut werden soll. Das gab heftige Diskussionen in der Altgasse da keiner so genau wusste was jetzt eigentlich das Ergebnis sein würde. Man erfuhr nur dass es wahrscheinlich ein komplett neues Gebäude sein sollte. Für uns Kinder bedeutete dass das es in naher Zukunft viel Interessantes zu sehen geben wird. Bei den Erwachsenen war es eher Besorgnis, da viele aus der Altgasse, eben da ihr täglich Brot verdienten.

 

Lederfabrik

Die Lederfabrik vor dem Umbau

(Zeichnung aus dem Gedächtnis)

 

Na ja, irgendwann ging es dann los. Die Abteilungen in den Gebäuden an der Gassenfront wurden nach hinten verlegt, oder in den  anderen Standort in der Postgasse. Das Nachbargebäude dass die Fleischverarbeitung (ehemals Haffner) beherbergte wurde geräumt und die Produktion in das auf der Schlachtbrücke neu errichtete Gebäude verlegt. Der Familie Odorian, die den vorderen Teil des Gebäudes der Fleischverarbeitung bewohnte, wurde irgendwo in Mühlbach eine andere Wohnung zugeteilt. Von dieser Räumung waren die Abteilungen Taschnerei, Zuschnitt der Lederbekleidung, das Werksfeuerwehrhäuschen und wie gesagt das Gelände der Fleischverarbeitung betroffen.

Nach dem dieses alles geschehen war, rückten schon die ersten Baumaschinen und die ersten Bauarbeiter für den Abriss heran. Zwei Bürocontainer für die Bauleitung wurden irgendwo im Innenhof der Fabrik aufgestellt. Wie die Firma hieß die die Arbeiten übernahm kann ich mich nicht mehr erinnern. Auf alle Fälle diese Abrissarbeiten sollten sich über mehrere Wochen hinziehen wie man hinterher feststellen sollte. Die ersten Dächer wurden abgerissen, die ersten Mauern fielen. Die Transportfahrzeuge hatten Mühe den anfallenden Schutt weg zu fahren. Eine permanente Staubwolke beherrschte den Anfang der Altgasse in dieser Zeit. Wir Kinder verbrachten viele Stunden auf der gegenüber liegenden Straßenseite um alles mit zu erleben. Irgendwann war der Abriss vollendet, und eine gähnende Leere machte sich breit, wo einst die Gebäude seit der Gründung des Betriebes standen. Ein ungewohnter Anblick. Jetzt wurden Markierungspfähle in den Boden getrieben, um für die Bagger die auch schon da waren, den Bereich der Grube abzustecken die ausgehoben werden musste. In der Zwischenzeit wurden schon Materialien für den Bau angekarrt. Diese wurden überwiegend auf dem Freien  Platz vor der Schmiede gelagert. Unendliche Fuhren von Mauerziegeln und Betonstahl. Hunderte Kubikmeter Erdreich wurden ausgebaggert und abtransportiert. Die ersten Schalungen wurden errichtet und mit Stahl, der vor Ort von den Stahlbiegern gefertigt wurde, versehen. Die ersten Transporte mit Fertigbeton rückten an und nun begann das Gießen der Ersten Strukturen des zukünftigen Gebäudes. All dieses zog sich über Tage und Wochen hin und alles von uns Kinder mit viel Begeisterung verfolgt.

Es ist völlig klar dass nach dem die Bauarbeiter bei Feierabend die Baustelle verließen, diese unser Spielrevier war. Das sahen unsere Eltern gar nicht gerne und verboten uns auch öfters die Baustelle wegen Verletzungsgefahr zu betreten. Aber man weiß ja wie die Kinder so sind. Wir waren ja auch nur Kinder und reagierten dem entsprechend.

Ich möchte jetzt den Bau nicht mehr ausführlicher beschreiben denn im Großen und Ganzen verlief der so wie alle Baustellen in diesen Jahren in ganz Rumänien.

 

Der Kessel

Was ich noch gut in Erinnerung habe ist folgendes, und zwar die Ausstattung des alten Kesselhauses mit einem größeren Dampfkessel, das auch während des Umbaues geschah.

Eines Tages bekamen wir zu Ohren, das demnächst der neue Dampfkessel am Bahnhof ankommen sollte. Die Altgässler, und nicht nur, wollten sich dieses Ereignis nicht entgehen lassen, und waren neugierig auf die Ankunft bei der Lederfabrik. Dann war es so weit. Der Kessel wurde mit dem Waggon auf ein Abstellgleis zur Entladung geschoben. Man überlegte mit was für einem Fahrzeug der Transport des Kessels vom Bahnhof zur Lederfabrik gemacht werden sollte. Das Dilemma war groß, es fand sich kein Transporter in Mühlbach der diese Ausmaße und Gewicht transportieren konnte. Der Kessel musste aber trotz allem vom Waggon herunter und zur Lederfabrik. Man fand die Lösung den Kessel auf einem aus Holz gefertigten Schlitten mit soliden Stahlbeschlagenen Kufen zu Transportieren. Die Genehmigungen waren damals kein Problem ob wohl man wusste dass der Weg vom Bahnhof quer durch die Stadt führte. Es war auch kein Problem das die Straßen auf der Trasse ruiniert würden. Was sich nachher bestätigte.

Der Kessel wurde mit Zwei Autokränen, der Marke „Steagu Rosu“, mit viel Mühe auf den Besagten Schlitten verladen und die Reise ging los.

Nach mehreren gescheiterten Versuchen den Schlitten mit Hilfe von zwei aneinander gekoppelten LKW zu bewegen, entschloss man sich die Hilfe von Traktoren „UTOS“ (Uzina de tractoare Orasul Stalin) vom „ Gostat“ in Anspruch zu nehmen. ( 6 oder 7 an der Zahl).

Nach einigen Versuchen gelang es den Treck in Bewegung zu setzen. Es ging von dem Bahnhofsgelände über die Bahngasse zur Quergasse in Richtung Lederfabrik. Da diese Gassen um die Zeit noch nicht gepflastert oder irgendwie befestigt waren, kann man sich vorstellen was für Furchen und Beschädigungen, durch das Schleifen dieses enormen Gewichtes und den oft durchdrehenden Räder der Traktoren, entstanden.

Es ging alles ziemlich gut bis über die Kreuzung beim Schmiedzigeuner. Ich muss erwähnen das die Möglichkeit den Kessel, auf normalem Wege über die Vorderseite des Fabrikgeländes bis zum Kesselhaus an der Hinterseite zu transportieren, nicht bestand.

In den voraus gegangenen Tagen, nach Absprachen mit dem rumänischen Pfarrer Opincariu, dessen Hof und Garten an das Fabrikgelände neben dem Mühlkanal grenzte, diesen Weg zu wählen. Also wurde der Schlitten mit dem Kessel bis vor das Gassentor des Herrn Opincariu gezogen. Da musste man den Schlitten um 90° drehen damit er durch den Hof und Garten bis auf das Fabrikgelände vor das Kesselhaus gelangte. Das war äußerst schwierig. Die Traktoren wurden abgekoppelt und im Hof und Garten wieder aufgereiht und am Schlitten befestigt. Nach vielen Stunden gelang die Drehung und nach weiteren Stunden bis in die Nacht hinein die Platzierung vor dem Kesselhaus. Dieses waren die Fakten und Fakt war auch das der Ganze weg bis hierher einem Übungsplatz von Panzern glich. Totale Zerstörung. Wären der ganzen Zeit dieses Transportes war der Weg gesäumt mit Anwohnern und Kinder die alles bestaunten. Man hatte bis dahin so etwas noch nicht gesehen. Mich auch Innbegriffen. Danach folgten viele Tage die Reparatur der Strassen und des Anwesens des Herrn Pfarrer Opincariu. Alles aus den Geldern des Umbaues der Lederfabrik abgedeckt.

 

Die Burg

Eine andere Erinnerung an diese Zeit. Ich habe vorher erwähnt dass die Baumaterialien auf dem Gelände des freien Platzes vor der Schmiede gelagert wurden. Das war auch der Fall von den Mauerziegeln die in einem Quadrat von ungefähr 20 Meter Kantenlänge und etwa 3 Meter hoch gestapelt wurden.

Da wir Kinder des Öfteren  uns da aufhielten um die Arbeiter beim Strecken, Schneiden und Biegen des Stahles für die Schalungen zu beobachten, hatte einer die Idee uns hier zwischen den Ziegeln eine Burg zu bauen.

Eines Tages schlichen wir auf den großen Ziegelhaufen und begannen in der Mitte die Mauerziegeln auszuhöhlen. In einem Quadrat von ungefähr 4 Meter Seitenlänge wurden die Ziegeln bei Seite geräumt und an den Rändern aufgetürmt. Wir stellten fest dass es eine Mühevolle Arbeit war, die sich über mehrere Tage dahin ziehen sollte. Aber gut, wir hatten ja Ferien und somit Zeit genug. Ich weiß nicht mehr nach wie viel Tagen wir ein beachtliches Loch in Mitten des großen Ziegelhaufens, fast bis an den Boden, fertig gekriegt hatten.

Na ja, im Prinzip war da nicht mehr viel zu machen. Also dieses Loch in dem Ziegelhaufen nannten wir „Unsere Burg“. Das Gute daran war dass wir das alles unauffällig hin bekommen hatten und niemand von den Anwohnern oder gar unsere Eltern davon wussten. So wie Zeit und Gelegenheit sich boten, war das unser Treffpunkt und Spielplatz. Jeden Falls dieser Platz war eine Reine Bubensache die Mädels aus unserer Gasse hatten keine Ahnung davon. Wenn man da drinnen war konnte nur der liebe Gott eins sehen. Wir waren schon in dem Alter wo manche schon mal zu Rauchen probiert hatten. Dieses sollte uns in unserer Gruppe bald zum Verhängnis werden.

Es wurden Zigaretten und Zündhölzer, die weit weg von unserer Nachbarschaft gekauft wurden, hier zwischen den Ziegeln versteckt. Des Gleichen auch das Gegenmittel „Mentosane“ wie wir glaubten. Unsere Eltern wussten zwar das wir uns auf diesem Platz gerne herum trieben aber die dachten wegen dem zuschauen bei den Arbeiten zur Vorbereitung der Eisen für den Beton bei der Lederfabrik. Eines Tages kam ich wieder mal spät abends von da nach Hause.

Als ich meinem Vater ins Gesicht sah ahnte ich schon nichts Gutes. Er fragte mich von wo ich den komme. Ich gestand dass ich bei den Schmiedzigeunern mit noch einigen war. Dann fragte er mich frei heraus ob wir da vielleicht geraucht hätten. Ich war perplex. Hatte uns jemand verpfiffen? Er sagte dass  auf dem Heimweg von der Arbeit da vorbei ging und uns nicht da spielen sah. Aber das er etwas anderes gesehen hätte, und zwar eine Rauchfahne über den Ziegeln wie ein Vulkan. Na ja nach einigem Hin und Her gestand ich das Rauchen und kassierte meine Strafe ohne Murren. Eine Tracht Prügel und Hausarrest für eine ganze Woche.

Den Anderen von uns erging es auch so ähnlich. Also unsere Burg brachte auch nicht Schutz so wie wir in uns erhofft hatten. Aber trotz allem, es waren viele Erlebnisse wie dieses zum Beispiel. Heute sag ich aber es war schön und ich möchte diese Momente meiner Kindheit nicht Missen.

Horst Theil

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