Erinnerung an die Lehrbuben- Jahre (Teil I )


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Lehrbuben im Bergbau 60-er Jahre

(Foto: SV-Bilderdienst)

 

Erinnerung an die Lehrbuben- Jahre

Das Jahr 1967 war in meinem Leben für mich ein Wendepunkt. Nach  dem ich nach der Beendung der achten Volkschulklasse bei der Aufnahmeprüfung für das Lyzeum, mit Pauken und Trompeten, durchgesegelt war, kam die Frage: was nun?

Es bestand die Möglichkeit diese Prüfung im Herbst zu wiederholen, oder Jen Weg einen Beruf zu erlernen. Diese Entscheidung stand mir nun bevor. Natürlich hatten meine Eltern den Wunsch dass ich den Sommer über weiter lernen sollte, und mich im Herbst wieder der Herausforderung stellen sollte. Nach einigen Tagen und heftigen Debatten, hatte ich mich entschieden einen Beruf zu erlernen da ich keine Lust, zum lernen mehr hatte. Für meine Eltern war diese Entscheidung natürlich nicht erfreulich, aber nach einigem Zögern stimmten sie dann widerwillig zu.

Wo erlernte man in Mühlbach einen Beruf? Natürlich bei der Handwerkervereinigung UNIREA. Mein Vater ging in den nächsten Tagen da vorbei und kam mit der Botschaft dass die Möglichkeit bestand hier den Beruf des Autoelektrikers zu erlernen. Ich sollte mich am nächsten Montag um 7 Uhr bei der Autowerkstatt der Kooperative vorstellen. Der Leiter der Werkstatt war um diese Zeit Herr Santei Dorin. Also ging ich Montag pünktlich dahin. Nach der spärlichen Begrüßung, wurde ich einem Gesellen zugeordnet, der mich dann in die Geheimnisse dieses Berufes einweihen sollte.

Diese Werkstatt befand sich in der äußeren Sikulorum gegenüber der neuen Post. Diese Straßenseite sollte danach im laufe der Systematisierung komplett abgerissen werden. Die ersten Tage vergingen normal. Es waren mit mir noch 4 Lehrbuben die gleichzeitig angefangen hatten. Dann wurden wir immer öfters für Arbeiten die nichts mit dem Beruf zu tun hatten eingesetzt. Das ging von den Gruben, die sich unter den Arbeitsrampen befanden, vom Schlamm und Dreck gemischt mit Altöl zu säubern bis Einkäufe für das Personal zu tätigen. Ja wir waren halt nur Lehrbuben und mussten uns den Gesellen und dem Meister unterordnen. Eines Tages kam der Personalchef vom Büro und verkündete uns dass wir nächsten Monat zur Aufnahmeprüfung für die Berufsschule nach Broos müssten.  Na ja, also Daheim angekommen erstattete ich Bericht über das bevorstehende Ereignis. Da bis zum ersten des nächsten Monats nur noch eine Woche Zeit war, nutzte ich diese um noch schnell meine Kenntnisse aufzufrischen. Einen Tag vor der Abreise nach Broos, packte mir meine Mutter eine Reisetasche mit Wäsche und Essen für zwei Tage. Am nächsten Morgen stiegen noch mehrere Lehrlinge zusammen mit mir in den Bus Hermannstadt – Deva, der auch in Broos Haltestelle hatte. Die Fahrt verlief eigentlich gut, mal abgesehen vom überfüllten Fahrgastraum und den Mannigfaltigen Gerüchen die durch den Bus zogen. Obwohl das ein Fernbus war, wurde um diese Zeit von Küken bis Lämmer fast alles als Gepäck mitgeführt. Daher die Gerüche. Nach etwas über einer Stunde Fahrt stiegen wir aus dem Bus und marschierten in Richtung Brooser Lyzeum wo die Prüfung stattfinden sollte. Nach etwa 20 Minuten erreichten wir das Lyzeum und meldeten uns da in der Kanzlei. Es wurden uns Schlafplätze in dem Internat das sich auch auf dem Schulgelände befand, zugewiesen. Das war ein Raum mit 10 Betten und Spinden. Also suchte sich jeder meiner Mühlbacher Leidensgenossen ein Bett und einen Spind aus, wo wir unsere mitgebrachten Sachen verstauen konnten.

Nach einer halben Stunde kam jemand und verkündete dass die erste Prüfung schon bald beginnen würde und wir uns in dem und dem Klassenzimmer versammeln sollten. Na Prosit dachte ich, das geht ja schon gut los. Über diese zwei Tage verteilt fanden die Prüfungen in den verschiedenen Fächern statt. Am Nachmittag des Zeiten Tages sollten die Listen mit den Bestanden und den Durchgesegelten Namen, auf die verschiedenen Berufe unterteilt, veröffentlicht werden. Das geschah an der großen Pinnwand die sich im Hauptflur des Gebäudes befand.

Alle anwesenden studierten am späten Nachmittag die Listen, und nach und nach entfernten sich alle die sich auf einer der Listen entdeckt hatten. Mir lief es eiskalt über den Rücken ich konnte mich auf keiner Liste der Autoelektriker entdecken, nicht bei Bestanden und nicht bei den durchgesegelten. Ich ging zaghaft zur Kanzlei und fragte was mit mir nun los ist, bestanden oder durchgefallen. Man verwies mich auf den Aushang. Als ich nun sagte dass ich auf keiner Liste stand, fragten sie nach dem Namen und blätterten ihre Unterlagen durch. Nach einer Weile wurde mir gesagt dass ich bei den Elektrikern auf der Liste stand und dass ich bestanden hätte. Einerseits verblüfft, Andererseits aber doch froh das ich durchgekommen war, verließ ich schnell das Gebäude und holte meine Sachen aus dem Internat. Ich wollte nicht mehr bis 8 Uhr Abends warten und den letzten Bus in Richtung Mühlbach nehmen, sondern ich ging an die Landstraße um mit Gelegenheit Heim zu fahren. Heute würde man sagen, per Anhalter oder Autostopp.

Irgendwann spät Abend langte ich Daheim an und berichtete meinen Eltern die Sachlage. Die hatten auch zwiespältige Gefühle. Daher ging ich am nächsten Morgen stracks zum Büro der Personalverwaltung der Genossenschaft und schilderte was ich wusste. Der Herr Truta der Personalchef erklärte mir dass beschlossen wurde mich zum Elektriker und nicht zum Autoelektriker auszubilden, man aber vergessen hatte mir das mitzuteilen. Schön. Also hatte ich ab sofort ein anderes Ausbildungsprofil. Der Chef guckte zufällig durch das Hoffenster und sagte mir ich soll schnell mit ihm gehen, denn mein künftiger Meister und Ausbilder wäre gerade im Hof, und bei dieser Gelegenheit könnte er mich gleich vorstellen und die Übergabe meiner Bescheidenheit an diesen vollziehen.

Die Überraschung war groß als sich herausstellte das es Herr Ernest Peppel war den ich schon von früher sehr gut kannte. Nach gegenseitigem begrüßen war der Tag für mich gelaufen. Herr Peppel sagte mir ich soll heute nach Hause gehen und am nächsten Morgen zu Ihm nach Hause kommen, aber nicht vor 8 Uhr. (?) Na gut mir sollte es Recht sein. Ich fuhr anschließend mit dem Fahrrad zu „meiner alten Werkstatt“ und erzählte auch dort was ich erlebt hatte. Anschließend nahm ich noch meine restlichen Sachen die noch da waren und Schlug den Heimweg ein.

Pünktlich um 8 Uhr war ich an Ort und Stelle bei Herr Peppel. Unser erster Weg führte uns in das Warenlager der UNIREA, um ein bisschen Werkzeug für mich zu holen. Anschließend musste mein Meister noch Bürokram erledigen und ich wartete so lange und lernte auch die Angestellten der Bauabteilung bei dieser Gelegenheit kennen. Das Büro war mit drei Personen besetzt: Herr Besoi, Herr Acker und Herr Gogesch. Der Vorsitzende der UNIREA war um diese Zeit Herr David und zwei Vizevorsitzende Herr Wolfgang Leibli und Herr Habean.

Nach dem mein Meister hatte irgendwann seinen Bürokram erledigt und es ging zu meiner ersten Baustelle in diesem Beruf. Diese war bei dem allen Mühlbachern bekannten Apotheker Herr Alesi. Der Grund unseres Kommens war eine defekte alte Wasserpumpe, die für 110V ausgelegt war, und jetzt über einen Trafo an der neuen Netzspannung von 220V angeschlossen war. Es stellte sich heraus das der Trafo defekt war und auch ein Teil der veralteten Elektroinstallation, so das wir da noch einige Tage zu tun hatten. So ging mein Erster Arbeitstag zu Ende.

Ich will ihnen nicht weitere Einblicke in die folgenden Tage und Wochen gewähren, da es zu langweilig  wäre. Irgendwann erfuhr ich vom Büro aus dass am Ersten September das Schuljahr in der Berufsschule der UCECOM beginnen würde und ich für 3 Monate nach Arad im Banat müsste.

Die Tage und Wochen vergingen und der Tag der Abreise nach Arad rückte immer näher. Damit auch alles seine Richtigkeit haben sollte, fertigte mir Onkel Dany einen Holzkoffer an, so wie man früher beim einrücken zum Militär benutzte. Dieser wurde dann von meiner Mutter gepackt. In de Koffer packte meine Mutter Unterwäsche, Kleider, ein Paar Schuhe und der übliche Krim- Kram den man für einen längeren Aufenthalt in der Fremde benötigte. In eine separate Tasche kam das Essen für den Weg.

Am Tag der Abreise Morgens um 4 Uhr stand ich auf und nach Frühstück und reichlicher Verabschiedung, schleppte ich mich mit dem schweren Koffer und der Tasche in Richtung Bushaltestelle gegenüber vom Kino, von wo ich den Bus zum Bahnhof von Alwinz nahm. Der Bus hielt in Höhe des Bahnhofes auf offener Landstraße an einer Haltestelle an. Von da musste man über die Gleise zum Bahnhofgebäude marschieren. Schwer keuchend kam ich da an und kaufte mir am Schalter eine Fahrkarte bis Arad. Alle Lehrbuben aus Mühlbach waren schon da oder kamen gleichzeitig mit mir da an. Bis der Zug kommen sollte war noch etwas über eine Stunde Zeit. Also ging man in das Bahnhofsrestaurant. Zwei Tische wurden zusammen geschoben so dass wir alle gemeinsam am Tisch sitzen konnten. Bei Fruchtsaft oder einem Glas sauer gespritztem Wein, wurde diskutiert über das was noch auf uns zukommen sollte. Mit dem Blick auf die Uhr merkten wir das es an der Zeit war auf zu stehen und auf den zuständigen Bahnsteig zu gehen. Da kam auch schon die Ansage über Lautsprecher dass der Zug in den Bahnhof einfährt. Als dieser zum stehen kam, bemühten  wir uns mit den klobigen und schweren Koffern ein leeres Abteil zu ergattern. Sitzplätze wurden bei diesem Personenzug keine vergeben also auf Gutglück. Wir hatten noch nichts gefunden da ertönte schon der Pfiff des Schaffners zur Abfahrt. Mit einem heftigem Ruck und schnaubender Dampflok begann unsere Fahrt ins ungewisse. Nun standen wir und unser Gepäck, wie an einer Perlenkette aufgereiht, auf dem engen Flur des Waggons. Fahrgäste zweigten sich mit ihrem Reisegepäck immer wieder an uns vorbei. Alle suchten das Gleiche wie wir, nämlich einen Sitzplatz. Dieser Zug bestand aus altersschwachen Waggons die meistens noch mit Holzbänken ausgestattet waren und einer Dampflokomotive  die auch mal bessere Tage erlebt hatte. Aber so war das eben um die Zeit, die besseren Waggons und Lokomotiven brauchte man für die Schnellzüge. Die Gleise waren um die Zeit noch nicht verschweißt und so spürte man jedes mal einen Stoß wen die Räder des Waggons über die Übergangstellen von einem Schienenstrang auf den darauf folgenden  wechselte. Dazu kam noch das schlingern des Zuges dass mit zunehmender Geschwindigkeit immer stärker wurde.

Na ja, wir waren unterwegs. Ich möchte noch erwähnen das diese Personenzüge an jeder nur erdenklichen Haltestelle halt machten um die Personen aus den angrenzenden Dörfern auf zu nehmen oder absteigen zu lassen. Dem entsprechend verlängerte sich die Reise mit diesem Typ von Zügen. Wir hatten aber Glück den der nächste größere Ort war Deva und hier hielt der Zug ein paar Minuten länger. Zum einen weil er einen entgegen kommenden Lastzug vorbeifahren lassen musste und zum anderen, viele Personen abstiegen, aber zu unserem Glück nicht viele aufstiegen.

Endlich leerte sich ein Abteil und wir konnten nun unsere Reise im sitzen fortsetzen. Die Landschaft war schön. Durch das Maroschtal schlängelte sich die Bahn fast immer parallel zum sich gemächlich schlängelnden Fluss. Die Reise ging über Lippa (Lipova) in Richtung Arad wo wir am Späten Nachmittag ankamen. Schon ziemlich müde schleppten wir uns auf den großen Platz vor dem Bahnhofsgebäude.

Was nun? Wir hatten zwar die Adresse der Schule auf einem Zettel aber keiner von uns wusste wie man hin gelangen sollte. Für mich war diese Großstadt so wieso ein wenig unheimlich. Der Große Verkehr, die vielen Autos, Busse, und auch noch Straßenbahnen. Ich war bis dato in keiner so großen Stadt, außer 2 mal in Hermannstadt.  Wir fragten einen und den anderen ob man uns helfen könnte aber komischer weise wusste niemand wo die Straße, oder gar die Schule war. Am Bahnhof waren auch sehr viele Taxis aber wir hatten nur unser Taschengeld, was nicht gerade ein Vermögen darstellte. Also verzichteten wir auf Taxis. Aber zu unserem erstaunen stieg ein bärtiger Taxifahrer aus einem der parkenden Taxis und näherte sich unserer Gruppe.

Er fragte wo wir den hin wollten, er hatte uns nämlich schon länger beobachtet wie wir die Leute um Auskunft baten. Er hatte einen stark ungarischen Akzent. Wir erklärten im das wir nicht viel Geld hatten und uns eine Taxifahrt nicht erlauben konnten. Dieser lächelte und sagte dass er so etwas vermutet hätte und er wisse dass die Schulkinder nur wenig Taschengeld haben und es für andere Dinge benötigten. Wir sollten ihn aber doch sagen wo wir hin wollen. Na gut wir sagten ihm die Adresse. Er zog einen Notizblock und begann zu kritzeln als es fertig war erfuhren wir das er auch in dem Viertel der Stadt wohnte und als Taxifahrer Arad wie seine Westentasche kannte. Er gab uns den Zettel in die Hand und erklärte und welcher Bus dahin fuhr und bei welcher Haltestelle wir dann aussteigen mussten. Wir waren diesem Mann sehr dankbar. Also nahmen wir den entsprechenden Bus und zählten die Stationen ab und stiegen aus. Nach ein paar Fragen in der Runde wussten wir Bescheid dar wir 10 Minuten Fußmarsch vor uns hatten. Bald sahen wir den kleinen Park mit der Serbischen Kirche und in unmittelbarer Nähe die „Emil Gîrleanu“- Straße. Die Schule war mit der Hausnummer 1. Wir waren endlich da, aber das Tor war schon geschlossen den mittlerweile war es schon fast dunkel. Wir machten uns irgendwie bemerkbar und tatsächlich kam der Pädagoge der Dienst hatte und ließ uns auf das Gelände. Da es heute schon zu spät war um die Aufnahme zu machen führte er uns zu den Schlafsälen um uns ein provisorisches Bett zum schlafen zu geben und morgen Früh sollten wir uns in dem Schulgebäude vorstellen um die Aufnahme zu vollenden.

Ich sagte vorhin Schlafsäle, es war ein Saal und kein Zimmer. Dieser Saal war mit 40 Etagenbetten nach Militärart ausgestattet, also für 80 Schüler. Es stank nach allerhand Körpergerüchen einfach undefinierbar. Nach einer traumlosen Nacht weckte uns am Morgen um 6 Uhr das Leuten einer Handglocke die der Schüler der gerade Dienst hatte fleißig schwang.

Die Morgentoilette fand in einem Gemeinschaft-Badezimmer das im selben Gebäude untergebracht war. In diesem Raum befanden sich 6 Waschbecken und 6 Duschen und das für alle 80 Schüler des Internats. Ich muss noch dazu sagen das auch von den Waschbecken und auch von den Duschplätzen nicht alle funktionierten. Die Wände waren mannshoch mit Fliesen, von denen schon viele fehlten gekachelt. Der Anstrich darüber und die Decke hatte eine undefinierbare Farbe die wahrscheinlich schon 20 Jahre nicht mehr erneuert war. Aber egal, da musste ich durch. Um 7 Uhr gab es Frühstück im Speisesaal der im Kellergeschoss untergebracht war und etwa Platz für 20 bis 25 Personen bot. Das hieß die Mahlzeiten mussten in mehreren Touren von Statten gehen. Das Frühstück bestand aus 2 Scheiben schwarzem Brot, ein kleiner Würfel ekliger Margarine, einen Klecks Marmelade und Russischen Tee, den man bei Bedarf auch nachgereicht bekam. Nach dem Frühstück meldete ich mich in der Kanzlei und die Aufnahme wurde offiziell und schriftlich festgehalten. Der Verwalter des Internats wurde gerufen mich in Empfang zu nehmen. Nach der Vorstellung führte mich dieser in den anderen Flügel des Internats in den Kellerraum, wo alle 80 Metallspinde untergebracht waren, die zum aufbewahren der Habseligkeiten der Schüler dienten. Diese waren jeder mit einem Vorhängeschloss gesichert. Die Koffer eines jeden wurden oben darauf aufbewahrt. Also öffnete ich meinen Koffer und räumte meine Sachen in den Spind der mir zugeteilt wurde. Danach legte ich meinen Koffer so wie alle anderen darauf. Nach dem ich auch mein Schloss angebracht hatte so wie mein Namensschild war ich nun ein Mitglied dieser Gemeinschaft die in den nächsten 3 Jahren ihren Alltag des Schülerlebens in diesen traurigen Bedingungen fristen musste.

Horst Theil

Fortsetzung folgt  

 

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