Erinnerung aus dem Täglichen Leben des Durchschnittsbürgers von Mühlbach in der Nachkriegszeit der 60-er Jahre.


Ich werde versuchen, anhand einiger Erinnerungen, ihnen einige Aspekte aus dem Täglichen Kampf ums Überleben zu schildern. Natürlich sind eine oder andere Tatsachen den meisten meines Jahrganges bekannt oder teilweise bekannt.

So wie jeder weiß, um sich eine Existenz zu sichern, muss man arbeiten. Das war auch allen bekannt und jeder versuchte so gut es ging sein Täglich Brot, für sich und seine Familie, zu verdienen. In Mühlbach waren die Bedingungen dieses zu tun nicht so schlecht. Immerhin hatten wir Betriebe und Institutionen wo das möglich war im Ort. Die Strumpffabrik, die Lederfabrik, das Sägewerk und später das Holzverarbeitungskombinat, die Bahn, IRTA, IMTF und nicht zuletzt die Handwerkervereinigung UNIREA. Das sind so die wichtigsten die mir gerade einfallen. Dann bestand noch die Möglichkeit in der Papierfabrik in Petersdorf zu Arbeiten und die Bauern beim Kollektiv oder GOSTAT.

Dann gab es auch Fälle die keine geregelte Arbeit hatten und ihr Brot als Tagelöhner oder Bauhelfer verdienen mussten.  Da in der Regel die Löhne der Arbeiter nicht so hoch waren um das Tägliche Leben zu bestreiten, hatten viele einen Nebenjob würde man heute sagen. Heute im Westen als Schwarzarbeit bezeichnet. Es war eine Parallel- Wirtschaft im wahrsten Sinne des Wortes. Als Beispiel, wenn jemand ein Haus baute oder das Vorhandene renovierte brauchte er Handwerker wie Maurer oder Dachdecker. Diese bekam er privat oder von der Handwerkergenossenschaft UNIREA. Diese Handwerker ließen den Bauherrn wissen dass sie eine bestimmte Anzahl an Helfern benötigten. Dann musste der Bauherr sich allein um die Organisierung von Tagelöhnern kümmern. Diese bekamen einen Bestimmten Betrag an Bargeld nach privater Vereinbahrung Abends in die Hand gedrückt. Desgleichen musste der Bauherr für Speise und Trank jeden Arbeitstag, der von Früh bis Abends dauerte, sorgen.

Tagelöhner wurden auch bei Arbeiten wie: Mähen, Holzspalten, Garten umgraben oder bei Feldarbeiten und der Gleichen eingesetzt.

Die Fabrikarbeiter hatten viele einen Handwerkerberuf erlernt und übten diesen nach der Arbeit in der Fabrik auf privater Ebene aus. Das alles um die Hauskasse aufzubessern.

Also wir sehen das ohne nebenbei etwas zu tun das Geld meistens nicht bis Monatsende reichte.

Eine andere Möglichkeit an zusätzliches Geld zu kommen war die mit den wieder Verwertbaren Materialien und Gegenständen. Zum Beispiel das Sammeln von leeren Flaschen und Einmachgläsern, die man bei der dafür geschaffenen Annahmestelle für ein Entgelt abgeben konnte.

Eine dieser Abgabestellen befand sich in der „Cariba“- Gasse oder Turnschulgasse. Da wurden die Gläser auf Beschädigungen geprüft und nach Menge bezahlt. Mit Alteisen das man auf der Abgabestelle in der Herrmannstädter Strasse abgab, konnte man auch ein paar Lei verdienen. Für die Tierfelle gab es am Holzplatz die Abgabestelle DAC genannt die sich gegenüber des Eckhauses der Tischlerei Leibli befand und die abgegebenen Felle nach Größe und Qualität bezahlte. Bei dieser Stelle konnte man auch Altpapier abgeben. Man sieht das diese Sachen die Im Westen als Müllabfall oder Schrott bezeichnet werden in Mühlbach schon in diesen Jahren verwertet wurden, und der Erlös  kam dem Sammler direkt zu nutze.

Apropos Müll. Die Müllwirtschaft war in diesen Jahren in Mühlbach noch in den Kinderschuhen. Der Hausmüll wurde zwar abgeholt aber von einem Normalen LKW und zwei Leuten die die ausgestellten mannigfaltigen Behälter auf den offenen LKW kippten. Dieser fuhr dann aus der Stadt in Richtung Daia, wo auf der Rechten Seite eine Spontane und unverwaltete Müllkippe entstand, wo man den LKW willkürlich entleerte. Und das alles Organisiert und Verwaltet von dem Örtlichen Verwaltungsunternehmen  IGCL (früher IGO).

Man muss dazu sagen dass in der gesamten Stadt sehr wenig Müll anfiel.

Der Grund war jener das die Bevölkerung nur das auf den Müll warf das keine Verwendung mehr besaß. Die Küchenabfälle wurden an die Haustiere verfüttert. Die Brennbaren Sachen wurden Verbrannt, meistens beim Kochen des Schweinefutters, so wie zum Beispiel alte Schuhe, Teile aus Gummi oder Plastik und dergleichen. Das galt auch für Gestrüpp aus den Garten oder Reste von Kukuruz Stängeln so wie Heckenschnitt. Die gekauften Gläser und Flaschen wurden nicht weggeworfen. Es gab wenig oder gar keine Verpackungen. Das Speiseöl, der Zucker, die Butter, das Weizen und Kukuruzmehl, der Reis der Gries ja sogar Marmelade wurde an der Theke ausgewogen verkauft. Jede hatte Säckchen und Flaschen die immer wieder beim Großeinkauf benutz wurden.

Also wenig Müll. Der Meiste Müll sammelte sich vom Strassen- und Hofkehren. Eine andere Schwierigkeit war die Beschaffung aus dem Staatshandel der Nahrungsmittel der Baumaterialien und des Brennmateriales für den Winter. Da die Hausgärten nicht immer alles für den Winter hergaben, und das waren viele, musste die Bevölkerung fast immer zukaufen. Das erstreckte sich vom Weißkraut über Kartoffeln für Mensch und Vieh, bis zu den elementarsten Sachen wie Gemüse und Obst so wie Gogosari oder Gurken zum Einlegen für den Winter.

In der Regel waren die Erzeugnisse auf dem Marktplatz immer ein wenig teurer wie in dem  berühmten APROZAR. Aus diesem Grunde bevorzugten die normal Sterblichen die Besorgung dieser Sachen aus dem Staatshandel. Wie man weiß war in diesen Jahren alles  knapp man bekam dieses und jenes nicht oder nur selten. Das führte dazu das jeder sich überall im Handel Beziehungen aufbauen hat müssen um auf irgendeine Weise an das Benötigte zu kommen. Diese Beziehungen baute man sich auf indem man Begann die Verkäufer und Ladenleiter (Gestionari) zu bestechen. Das konnte mit Geld sein, aber auch mit anderen Sachen und Güter die für diese interessant waren. Zum Beispiel Kaffe aus dem Westen oder Zigaretten, wenn möglich KENT die der Renner waren. Oder auch die Beschaffung von Blue Jeans aber dann musste es Lewis Straus sein. Übrigens diese Bestechungen halfen auch bei den Doktoren und im Spital ungemein. Um seine Ziele zu erreichen wurde auch der Warentausch, unabhängig davon dass man das begehrte Produkt bezahlen musste, betrieben.

Dieser Warentausch geschah mit aus den Betrieben abgezweigten Waren, also sprich mit Diebesgut. Man muss das frei heraus sagen. Denn die Not macht erfinderisch. Viele klauten Erzeugnisse des Betriebes wo sie gerade arbeiteten. Diese wurden dann zu Bestechungen oder zum Austausch unter Bekannten oder Freunden, die wiederum an andere Produkte heran kamen, verwendet.

Aber zurück zu der Schwierigkeit etwas aus dem Staatshandel zu erwerben. Ich möchte dazu ein Beispiel schildern. Wie ich schon erwähnte in der Hochsaison Herbst, wo man zu sehen musste alles für den Winter vorzubereiten, war der Einkauf von Kartoffeln auch sehr wichtig.

Da der Informationsaustausch in einer Kleinstadt wie Mühlbach ziemlich gut funktionierte, erfuhr man wann und bei welchem APROZAR man Kartoffeln zu kaufen bekam. So ein Einkauf war immer eine Aktion in sich, bei dem in der Regel die ganze Familie beteiligt war.

Am Stichtag schon Früh morgens begaben wir uns ausgerüstet mit einem Handwagen, genügend Säcke, einer Schaufel und mit viel Geduld bewaffnet, zu dem APROZAR. Da angekommen mussten wir feststellen dass wir nicht die ersten waren. Das Gerücht besagte das die Kartoffeln gegen 10 Uhr ankommen sollten. Wir waren schon um 8 Uhr da und mittlerweile war es schon 11 Uhr und es hatten sich schon 40 – 50 Leute versammelt. Irgendwann nach langer Zeit kam ein Traktor mit Anhänger angefahren der mit Kartoffeln beladen war. Da ging schon der Tumult los. Jeder wollte die beste Position einnehmen um an die begehrten Kartoffeln zu kommen. Der Anhänger wurde nach einigem hin und her einfach ausgekippt und die Leute begannen den Kampf mit dem Füllen der mitgebrachten Säcke. Die Kartoffeln wurden so wie sie waren, verdreckt mit Erde und die meisten beschädigt, mit Händen und den mitgebrachten Schaufeln in die Säcke gefüllt. Jeder soviel wie er nur konnte und die Möglichkeit hatte. Innerhalb von 10 – 15 Minuten war der Anhänger mit Kartoffeln in Säcke gefüllt. Nun standen die Leute Schlange um ihre Säcke wiegen zu lassen und zu bezahlen. Je nach Position in der Schlange dauerte das wiederum fast eine Stunde bis bezahlt und die Säcke auf dem Handkarren verstaut waren. Nach einem langen und ermüdenden Tag ging es Heim mit dem schweren Handwagen. Daheim angekommen mussten die Kartoffeln wieder aus den Säcken ausgelehrt werden und mühsam sortiert werden. Die Guten und großen zum Essen die beschädigten und kleinen als Futter für Schweine oder sonstiges Vieh das die Leute besaßen.

coada la pravalie 1992

Beispielbild: Menschenschlange vor dem Elektrowarengeschäft.

Bild aus einem Video von Eduard Schneider  „Schneiderproduction“ 1992

 

Derselbe Kampf war auch beim Erwerb der anderen Güter und Lebensmittel. Besonders bei Milch, Eier und Fleisch. Egal welche Schicht die Leute am Vortag hatten, sie mussten morgens um Vier aufstehen und Schlange stehen bis 8 Uhr als die Geschäfte öffneten, dabei hatte niemand die Garantie das sie dabei auch etwas kaufen können.

Also sie sehen das es ein schwieriges Leben war. Und trotz allem hatte man sich irgendwie daran gewöhnt und zu der Zeit als selbstverständlich empfunden.

Gott sei Dank, heute gehört das der Vergangenheit an. Der das nicht erlebt hat glaubt es einem nicht das so etwas möglich war.

Horst Theil

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